Digitalisierung der Straße – wie schaffen wir den sicheren ländlichen Verkehrsraum?

Der scheidende Präsident des DVR Prof. Dr. Walter Eichendorf begrüßte die Teilnehmenden. Er erinnerte daran, dass 60 Präsident der Getöteten und Schwerverletzten im ländlichen Raum verunglücken, daher werde man sich heute der Verkehrstechnik und der Infrastruktur im ländlichen Raum widmen. Technische Möglichkeiten werden aufgezeigt, daraus muss die konkrete Anwendung folgen.

Verkehrssicherheit durch Digitalisierung
Dr. Sascha Knake-Langhorst vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) erläuterte, dass das DLR nicht nur im Weltraum aktiv ist und die überaus komplexe Herausforderung, Verkehrssicherheit durch Digitalisierung zu realisieren.  Für das digitalisierte Verkehrssystem (Vernetzung, Automatisierung und Kooperation) werden Massen von Daten über Verkehrsflüsse erhoben und verknüpft. Dafür werden bestimmte Schwerpunkt-Kreuzungen beobachtet/erforscht, nicht flächendeckend eine ganze Stadt.
Aktuell liegen urbane Räume im starken Fokus der Forschung und Entwicklung, insbesondere automatisiertes und vernetztes Fahren.
„Es bedarf leistungsfähiger Dienste, die es ermöglichen, Daten zusammenzuführen, die physische und digitale Welt förmlich zu verschmelzen. Fahrzeuge müssen lernen zu verstehen, Handlungen zu planen und diese einzubetten in das Gesamtsystem Verkehr mit dem Ergebnis des digitalen Zwillings zur realen Welt. Zu klären ist, mit welche gemeinsame Kommunikationstechnik zum Einsatz kommt, WLAN oder eben Mobilfunksysteme, wobei längst Vorstellungen existieren, die sogar über 6G hinausreichen. Beispielsweise erforderlich sind hochgenaue Karten, zuverlässige Schnittstellen wie etwa zu Wechselverkehrszeichen, serverbasierte Hintergrundsysteme bis hin zu sogenannten Ground Thruth-Daten (Feldvergleich) zur Validierung. Schwerpunkte der Forschung finden im urbanen Raum statt und können später auf das Land transferiert wertem. Das DLR betreibt dazu das Testfeld Niedersachsen, lernt momentan aber Basiswissen im urbanen Raum, das später überregional ausgedehnt werden kann, wenn Infrastruktur entstanden und die Mobilfunkabdeckung nicht mehr so lückenhaft ist. Mit der Anwendungsplattform Intelligente Mobilität (AIM) ist mit Unterstützung des Bundes, des Landes Niedersachsen und der Stadt Braunschweig eine für die Bundesrepublik in ihrer Art einzigartige Großforschungsanlage entstanden, die das komplette Spektrum der Verkehrsforschung abbilden kann. Je nach Fragestellung wird die Basisinfrastruktur ständig erweitert und an neue Aufgaben angepasst. So können wissenschaftliche Einrichtungen, aber auch kleine, mittelständische und große Unternehmen individuell an „ihren“ Themen forschen und ihre Erfindungen in Innovationen umsetzen.“*

Susanne Henckel die Staatssekretärin im Bundesministerium für Digitales und Verkehr sah die digitale Vernetzung mit 5G und Glasfaser auf einem guten Weg. Es braucht aber seine Zeit. Frau Henckel sah sich im Rahmen der Digitalisierung, die auch den Fuß- und Fahrradverkehr mit einbezieht, als Fahrradfahrerin mit einer Antenne am Fahrradhelm. In der Verkehrspolitik im ländlichen Raum setzt sie auf neue Strukturen im ÖPNV und hier auf on demand-Angebote. So werden lokale Bedarfe ermittelt.

„Standardisierte und schnellere Genehmigungsverfahren

Um Verkehr nachhaltig planen, Verkehrsströme gezielt zu steuern oder die individuelle Wahl von Verkehrsmitteln günstig zu beeinflussen, hat ihr Ministerium die Mobilithek entwickelt. Derzeit sind bereits 700 Partner an Bord, in Kürze sollen die Tausend überschritten werden, die Zugang zu dem wichtigen Rohstoff für moderne, vernetzte Mobilität ist heute mehr denn je auf einen wichtigen Rohstoff angewiesen: Daten, einschließlich jener, die in Echtzeit verfügbar sind. Und was Susanne Henckel wichtig war zu erwähnen: Für alle Verkehrsträger sollen standardisierte und vereinfachte Verfahren zu zügigerer Genehmigung führen, im Fokus insbesondere (Autobahn-)Brücken. Damit sind auch die Digitalisierung betreffende Infrastrukturmaßnahmen früher zu bewerkstelligen.“*

Das Schaufenster für autonomes Fahren
Herr Augusto stellte das Verbundprojekt BeIntelli vor.
BeIntelli will gesellschaftliche Partizipation durch persönliches Informieren, um in den gesellschaftlichen Dialog zu treten. Dafür gibt es im nächsten Jahr Schaufensterszenarien, die es der breiten Öffentlichkeit ermöglichen, KI in realen Umgebungen zu erleben. Im größten KI Reallabor Europas soll ein autonom fahrender Bus interessierte Passagiere mitnehmen können. An Bord können sich die Passagiere über die automatisierten Fahrfunktionen des Buses informieren Die Teststrecke führt in Berlin vom Brandenburger Tor, über den Großen Stern, Ernst-Reuter-Platz zum Kurfürstendamm. Es wird, typisch für Deutschland, immer ein Sicherheitsfahrer an Bord sein.
In diesem Projekt geht es auch um die Validierung autonomer Fahrfunktionen für Pkw, Transporter, Bus und Lieferroboter für neue Mobilitäts- und Logistikszenarien im Realbetrieb

Verkehrssicherheit in ländlichen Räumen
Nach so viel Zukunft begaben wir uns nun wieder in die Niederungen des Jetzt.
„Visuell tief in den Landkreis Dahme-Spreewald, genauer in den Ortsteil Pätz der Kommune Bestensee, führte Andrea Kulpe-Winkler (DVR) im Gespräch mit Patricia Pantel Die gelernte Ingenieurin leitet im DVR das Referat Verkehrstechnik und ist mit drei Jahrzehnten Erfahrungsschatz Expertin für alle Themen rund um die Verkehrssicherheit im Bereich Straßen-Infrastruktur. Sie will das Verkehrssystem so gestalten, dass es menschliche Fehler verzeiht. Per Video zeigt sie (beziehungsweise eben eher nicht) eine Bundesstraße mit Ortsschild, Bushaltestelle und Kindergarten, bei der durch die Frontscheibe eines Fahrzeugs keinerlei Hinweise auf eine innerörtliche Verkehrssituation erkennbar war, zumal eine längere Passage der nahezu geraden Straße auf einer Seite von Leitplanken flankiert wird. Wäre das bestehende Regelwerk umgesetzt, würde ein Kreisverkehr etwa auf Höhe der Ortseinfahrt das Tempo reduzieren und der Bereich der Kita wie der Bushaltestellen mit Querungen für Fußgänger sicherer werden. Mittelinseln bremsten den Kraftverkehr ein. Nicht alles könne sofort umgesetzt werden, jedoch konsequent Schritt für Schritt.“*

Die oben erwähnte ungesicherte Bushaltestelle liegt im Wald vor dem Ortsschild, außerhalb der Ortschaft an einer Bundesstraße B179! Total überraschend für Ortsunkundige.

Den Abschluss bildete die Gesprächsrunde mit Prof. Dr. Eichendorf (DVR-Präsident), Fr. Kulpe-Winkler (DVR), Herr Augusto (BeIntelli), Herr Dr. Knake-Langhorst (DLR) mit dem Thema: Zukunftsvisionen im ländlichen Raum

Prof. Dr. Eichendorf beklagte, dass die Regelwerke in den Bundesländern nicht überall umgesetzt werden. Zum Beispiel setzen nur 2 bis 3 Bundesländer von 16 die MV Mot, (Merkblatt zur Verbesserung der Verkehrssicherheit auf Motorradstrecken) um. Auch bei RAL und RAS sieht es nicht viel besser aus. RAL und RAS werden nur bei Neu-, Aus- und Umbau herangezogen, bei den regelmäßigen Audits leider nicht. Da könnten die Länder mehr machen. Professor Eichendorf forderte, vor jeder Unterhaltungsmaßnahme das Regelwerk zu berücksichtigen So sind die Regelwerke nur Schall und Rauch. Herr Augusto meinte, Digitalisierung kann man nicht mit der Gießkanne verteilen. Es müssen die Bedarfe konkretisiert werden. Zum Beispiel wäre an der KiTa im obigen Beispiel eine Drahtlos-Kommunikation mit modernen Fahrzeugen möglich. Die würden die Fahrzeuge bei Annäherung warnen. Frau Kulpe-Winkler möchte pragmatisch den Bogen spannen vom urbanen in den ländlichen Raum und von der Forschung in die Praxis.

Mir zeigten die Vorträge, was in der Stadt möglich ist. z.B. Fahrzeuge kommunizieren mit Ampeln sodass man hat eine grüne Welle hat. Aber die digitale Landstraße kommt noch nicht sobald. Dafür bräuchte Deutschland überall gute Internetverbindung. Die Protagonisten des Autonomen Fahrens denken bereits in Dimensionen von 6G und darüber hinaus, um der Datenflut Herr zu werden.

Was ich aber für machbar halte, ist das an Gefahrenpunkten im ländlichen Raum die Fahrzeuge digital bei Annäherung gewarnt werden. Diese schrittweise Einführung halte ich für wahrscheinlich.

*Die gekennzeichneten Zitate stammten aus: Motorjournalist „Die Straße das Sprechen lehren – DVR Forum ländlicher Verkehrsraum“


Wer genaueres wissen möchte, kann sich direkt beim DVR die Aufzeichnung des Kolloquiums ansehen. Bei YouTube: https://www.youtube.com/watch?v=47Z3QShSA8k

Die Präsentationen der Referierenden finden Sie ab jetzt unter: https://www.dvr.de/service/veranstaltungen/dvr-kolloquium-2022