Der 63. Deutsche Verkehrsgerichtstag. (Foto: Biethan)
Der 63. Deutsche Verkehrsgerichtstag. (Foto: Biethan)

Vom 29. bis 31.01.2025 platzte Goslar wieder aus allen Nähten. Was vor 64 Jahren (wegen Corona gab es ein Jahr keinen Verkehtrsgerichtstag) mit 40 Teilnehmern begann, zog 2025 die Rekordzahl von 1915 Teilnehmer nach Goslar. Mit 659 Teilnehmern stellten Rechtsanwälte die größte Berufsgruppe. Aber warum ist es für einen Motorradfahrerverband sinnvoll und wichtig, am Verkehrsgerichtstag (VGT) teilzunehmen?

Vorschläge führen oft zu Gesetzen

In den einzelnen Arbeitsgruppen werden Themen diskutiert und rechtliche Vorschläge erarbeitet, die dann an die Bundesregierung als Empfehlung gehen. Da ist auch die „Fachkunde“ von betroffenem Verkehrsteilnehmer gefragt. Und die Nutzer von motorisierten Zweirädern sind nun mal auch Teilnehmer am Verkehr, die ihr Fachwissen einbringen sollten. Leider fällt der VGT immer zeitlich in den Bereich des Elefantentreffens, Messe Friedrichhafen und anderer Termine, die ehrenamtliche Kapazitäten binden. 2025 nahm der zweite Vorsitzende Olaf Biethan für den BVDM am Verkehrsgerichtstag teil.

 


Wegen Überfüllung kein Zutritt zur Kaiserpfalz Goslar mehr.(Foto: Biethan)

Offizielle Eröffnung des VGT war am Donnerstag um 10 Uhr in der Kaiserpfalz. Hier zeigte sich das Problem, das Goslar mit so einer großen Veranstaltung hat. Die Kaiserpfalz bietet Platz für 600 Personen. Das sind noch nicht mal ein Drittel der angemeldeten Teilnehmer. Um 9.30 Uhr waren die Plätze alle schon belegt. Also fuhr ich zurück zum Hotel Achtermann, in dem auch einige der Arbeitsgruppen tagten. An zwei Orten in Goslar wurde die Eröffnungsveranstaltung für die Teilnehmer in großen Sälen live übertragen. 

Von Donnerstagmittag bis Freitagvormittag tauschten sich die angereisten Experten in acht  Arbeitskreisen (AK) aus und erarbeiteten Empfehlungen zur Verkehrssicherheit zu diesem Thema. Anderthalb Monate vor dem VGT war bereits die Hälfte der AK ausgebucht. Meine Wahl viel auf AK V „Kfz-Schadensgutachten: Gut ist nicht genug!“. Wie sich im Nachhinein herausstellte war es der größte AK mit 364 angemeldeten Teilnehmern. Zum VGT gab es noch Restplätze im AK 8 „Aktuelle Probleme bei Fahrgastrechten im Schienenersatzverkehr“. Alle anderen waren ausgebucht. Eine Kapazitätserhöhung ist nicht möglich. Die großen Räume und Säle in Goslar bieten, unter anderen aus Brandschutzgründen, nicht mehr Platz für Teilnehmer.

Um was ging es im AK V? Man glaubt es kaum, in Deutschland darf sich noch jeder Sachverständiger nennen, der sich dazu für berufen hält! Demzufolge gibt es gerade bei Gutachten zu Unfallschäden und -kosten ein breites Feld von Gutachtern, deren erforderliche Qualifikation in keiner Weise geregelt ist. Es gibt eine Vielzahl von Verbänden, die Mindestqualifikationen festlegen. Aber keine einheitliche Regel. Auch, was den mindestens erforderlichen Inhalt der Gutachten angeht.

Richtlininen für Sachverständige erarbeitet

Ein Arbeitskreis im VDI (Verein deutscher Ingenieure) hat daher Entwürfe für die VDI-Richtlinie 5900 MT „Sachverständige für Kraftfahrwesen und Straßenverkehr“, Blatt 2, erarbeitet. Diese soll im Oktober 2025 veröffentlicht werden und legt Mindeststandards für Gutachter und Gutachten fest. Im Arbeitskreis stellten zunächst die „Macher“ der VDI-Richtlinie den Inhalt vor.

Anschließend präsentierte eine Unfallforscherin der Versicherungen die Vorteile, die ein vereinheitlichtes Gutachtenformat, in dem auch alle relevanten Punkte berücksichtigt sind, für Versicherungen und damit auch alle Haftpflichtversicherten (Kostenreduzierung) bringt. Anschließend berichteten ein Richter am Oberlandesgericht und ein Fachanwalt für Verkehrsrecht darüber, welchen Nutzen die Richtlinie bei Gerichtsverfahren bringt. Dies waren erschreckend wenig. Andererseits würden bei Anwendung der Richtlinie deutlich weniger Fälle von Schadensausgleich vor Gericht landen. Am Abend des ersten Tages stimmten alle Teilnehmer des Arbeitskreises dafür, dass eine Empfehlung ausgearbeitet werden sollte. Bis zum nächsten Morgen arbeitete die AK-Leitung einen Entwurf aus, der am nächsten Morgen präsentiert und intensiv diskutiert wurde. Per Akklamation wurde nun jeder Absatz, teilweise jeder Satz in der Empfehlung abgestimmt.

Schon am Mittag begrüßten viele Organisationen (ACE, ADAC, DVR, …) per Veröffentlichungen in den sozialen Medien die Empfehlungen des VGT. Deren Schwerpunkt in der Berichterstattung lag aber auf den Themen der Arbeitskreise, die sich mit Cannabis, Fußverkehr, MPU beschäftigten. Die Empfehlung des teilnehmerstärksten AK V „Kfz-Schadensgutachten: Gut ist nicht genug!“ fand in der medialen Berichterstattung keine Erwähnung. Dabei hatte der größte AK den kürzesten Empfehlungstext veröffentlicht. Nachzulesen unter 
https://deutscher-verkehrsgerichtstag.de/pages/dokumentation/aktuelle-empfehlung.php 


Ein Teilnehmer reiste mit dem Motorrad an. (Alle Bilder: Olaf Biethan/BVDM)

Fazit

Hat sich die Teilnahme am VGT für den BVDM gelohnt? Grundsätzlich ja. Sie ist sogar unerlässlich, wenn ein Thema mehr die Belange und Interessen der motorisierten Zweiradfahrende betrifft, als es bei der Themenwahl 2025 der Fall war. Eine Teilnahme im nächsten Jahr ist auf jeden Fall wieder angedacht.