Radelnder Keiler Netphen
Radelnder Keiler Netphen

Alles wird anders

Seit Mitte März hat uns Corona nunmehr fest im Griff. Ein letztes Mal trafen wir uns mit einer Gruppe von Bekannten zum Bogenschießen am 14. März. Da hatten wir alle schon ein schlechtes Gewissen, haben es aber noch durchgezogen. Danach wurde alles anders. Besonders als ein paar Tage später die Kontaktsperre in NRW beschlossen wurde und in anderen Bundesländern sogar die Ausgangssperre. Ich muss sagen, dass ich schon echt froh war, dass unser Ministerpräsident Laschet und nicht Söder heißt. Die Kontaktsperre war eine gute Lösung, mit der wir leben konnten. Immerhin hatten wir die Möglichkeit raus zu gehen. Laufen, Wandern, Fahrrad- und auch Motorradfahren war nicht verboten, aber eben nur allein oder zu zweit. Da konnten wir uns in NRW wirklich glücklich schätzen.

Tourenzielfahrt mit Kontaktsperre

Nachdem wir unsere anfänglichen Skrupel - zum Beispiel, dass man im Falle eines Unfalls eventuell einem Coronapatienten das Krankenhausbett wegnimmt - überwunden hatten, haben wir an den zahlreichen sonnigen Wochenenden seit Mitte März einige schöne Tagestouren unternommen. Da bot sich unsere Tourenzielfahrt sehr an. Wir haben uns verschiedene Tourenziele in Tagestourentfernung von unserem Heimatort Bielefeld rausgesucht und hatten so immer ein Ziel, das wir ansteuern konnten. Mal ging es in Richtung Norden nach Melle zur Bifurkation von Hase und Else, mal zum Automatenmuseum nach Espelkamp und zur Schiffsmühle in Minden. Andere Touren führten zum Eisenbahnviadukt in Altenbeken und zur Rieseneiche in Borlinghausen, die ich schon lange mal wieder besuchen wollte um zu sehen, wie es ihr geht. Eine weitere Tour ging zur Wewelsburg und zum Rathaus in Rietberg. Und nicht zu vergessen eine Tour zur alten Friedhofslinde in Reelkirchen im Lipperland - seit der TZF 2008 einer meiner Lieblingsbäume - sowie zum sehr sehenswerten alten Rathaus von Schwalenberg. Die Tourenzielfahrt mit dem Thema „Hello again" in diesem Jahr ist ja bekanntlich eine Best-Of-Veranstaltung der Jahre 2007 bis 2018. Da wir die Tourenzielfahrt bereits seit vielen Jahren nicht nur mitfahren, sondern sogar oft selbst ausgearbeitet haben, waren uns diese Ziele nur allzu bekannt. Von daher hat es uns auch nicht gestört, dass die Museen geschlossen hatten. Wir kannten sie eh schon alle. Natürlich konnten wir nirgendwo einkehren und auch niemanden treffen, aber dann haben wir uns eben unser Brötchen mitgenommen und uns damit irgendwo in die Büsche geschlagen. Denn Picknicken war ja auch nicht wirklich erlaubt.

Friedhofslinde Reelkirchen  Schiffsmühle Minden

Nichts los auf den Straßen

Überall war wenig Verkehr, besonders auf den kleinen Wegen, die wir bevorzugen. Unser anfänglich schlechtes Gewissen verflog von einem zum nächsten Kilometer und wir konnten unsere Fahrten mit unserer gemütlichen Fahrweise bei schönstem Wetter genießen. Auch wenn die Verkehrslage es zugelassen hätte, mal ein wenig mehr den Gashahn aufzudrehen, haben wir das ganz bewusst vermieden. Es passte einfach nicht ins Bild. Wir wollten gerade jetzt auf keinen Fall unangenehm auffallen und sind auch bewusst extra leise durch die Ortschaften gerollt, wo die Menschen in ihren Gärten Erholung suchten. Abends waren wir wieder zu Hause in unserer Dachgeschosswohnung ohne Balkon und ohne Garten. Diese Tagestouren waren fast schon ein kleiner Urlaub. Man bekam den Kopf wieder ein wenig frei von all den Sorgen und Nöten, von denen sich in dieser Zeit wohl niemand freisprechen konnte. Peter war seit vielen Wochen bereits im Home-Office und froh, wenn er die vier Wände mal verlassen konnte. Und so haben wir schon einmal einen Vorgeschmack auf unseren Urlaub erhalten, der von der letzten Aprilwoche an vier Wochen dauern sollte.

Machen wir das Beste draus

Gebucht hatten wir glücklicherweise nichts, so dass wir auch nichts absagen mussten. Unser ursprünglicher Plan war, mit den Mopeds einfach loszufahren, so wie wir es immer machen, und uns unterwegs Quartiere zu suchen. Aber da wurde ja aus bekannten Gründen nichts draus. Aber verschieben konnten wir unseren Urlaub auch nicht mehr. Er war bereits länger eingereicht und genehmigt, so dass wir ihn auch nehmen mussten. Wir hatten ihn jedoch auch dringend nötig.
Also dachten wir uns: „Machen wir das Beste draus". Da ja nicht nur Hotels, sondern auch Museen, Restaurants, Schwimmbäder und alle anderen Freizeitanlagen geschlossen waren, gab es nur die Möglichkeit von Outdooraktivitäten. Das Wetter musste da natürlich mitspielen. Motorrad fahren, Wandern und Fahrrad fahren sind ohnehin unsere Lieblingsaktivitäten, mit denen wir unsere Urlaube in der Regel verbringen. Bogenschießen ging leider zunächst nicht, da alle Plätze und Parcours gesperrt waren. In den ersten Tagen unseres Urlaubs herrschte Regenwetter, so dass wir erstmal einiges zu Hause erledigten, was lange liegen geblieben war. Aber das hatte ich mir eigentlich nicht unter Urlaub vorgestellt. Glücklicherweise wurde das Wetter bald besser, oder besser gesagt - richtig schön. Trotz aller Widrigkeiten hatte wenigstens Petrus es gut mit uns gemeint. Und dann haben wir von Tag zu Tag entschieden, was von diesen drei Dingen wir machen wollten. In den ersten zwei Wochen waren wir ganz auf Zweisamkeit gepolt, haben keine Freunde und Bekannten gesehen - war ja auch schließlich verboten.

Stadtranderholung in Coronazeiten

Mit Hilfe von Komoot - einer App zum Wandern und Radfahren - haben wir uns Vorschläge für Rundtouren in der näheren Umgebung von Bielefeld gesucht. Und wir haben nicht schlecht gestaunt, was wir alles Schönes fanden, wo wir noch nie gewesen waren. Früher nannte man diese Art von Ferien „Stadtranderholung", die es, glaube ich, sogar heute noch gibt. Zu Fuß zwischen 5 und 15, mit dem Pedelec zwischen 20 und 50, mit dem Moped zwischen 150 und 380 Kilometern - das waren unsere Tages- oder Halbtagesetappen, je nach Lust und Laune.

Erstaunliche Entdeckungen

Besonders gefallen haben uns zwei Wanderungen in der Senne. Die erste ging zur Emsquelle in der Nähe von Schloß Holte-Stukenbrock. Dort in der sogenannten Moosheide sollte es sogar Wildpferde geben, die der Landschaftspflege dienen. Leider haben wir sie nicht gesehen. Der Weg führte uns weiter zu einem sowjetischen Soldatenfriedhof, auf dem viele Tausend Opfer des Kriegsgefangenlagers in der Senne in Massengräbern ihre letzte Ruhestätte fanden. Frische Blumen zierten das Ehrenmal, denn ausgerechnet heute war der 8. Mai, 75. Jahrestag des Kriegsendes. Eine zweite Wanderung führte uns in das wildromantische Furlbachtal ebenfalls in der Senne bei Schloß Holte-Stukenbrock. Wie in so manchem Nationalpark schlängelt sich dort ein Bach, der Furlbach, durch den Wald. Man lernt anhand von Schautafeln, wie die Sennemoore entstanden sind, kann an dem romantischen Moorteich rasten und die Natur genießen. Auf einer Lichtung, wo wir uns eine Weile in der Sonne auf einem Baumstumpf niederließen, kam sogar ein Reh vorbei, ohne sich an uns zu stören. Und das alles im Teutoburger Wald. Wer hätte das gedacht?

Mit Freunden auf Abstand

In der dritten und vierten Woche unseres Urlaubs kam es zu schrittweisen Lockerungen der Kontaktsperre. Personen aus zwei Haushalten durften sich wieder treffen. Das kam uns gelegen. Nun konnten endlich unsere Freunde Iris und Axel kommen, um mein altes Motorrad abzuholen, das sie mir für eine ihrer Töchter abgekauft hatten. Wir nutzten die Gelegenheit zum Grillen und den Abend gemeinsam auf Abstand zu genießen. An einem anderen Tag sind wir mit unseren Freunden Elke und Michael mal nicht Motorrad, sondern Fahrrad gefahren und haben eine nette Runde im Raum Gütersloh gedreht, die mit einem leckeren Eis endete. Am darauf folgenden Tag hatten wir uns mit unseren Freunden Renate und Jörg zu einer 380-Kilometer-Tour ins Sauerland verabredet. Zwei Tourenziele standen auf dem Programm: „Der radelnde Keiler" von Netphen und die „Dicke Buche" in Krombach. Obwohl wir auch diese beiden Ziele bereits kannten, fanden wir es dennoch schön, den beeindruckenden Baum nach zwölf Jahren wieder zu sehen. Zwischendurch haben wir nur wenige Pausen gemacht, sind nirgendwo eingekehrt, sondern haben auf irgendwelchen Wanderparkplätzen unsere mitgebrachten Brötchen verzehrt und dabei Neuigkeiten ausgetauscht. Es tat gut, mal wieder mit Vereinskollegen gemeinsam etwas unternehmen zu können, wenn auch mit etwas Abstand und ohne die sonst üblichen Begrüßungs-Umarmungen. In derselben Woche hatten wir noch eine zweite gemeinsame Tour auf dem Programm. Sie führte uns nach Wunstorf zum leider noch geschlossenen Ju 52-Museum, sowie zum Steinhuder Meer. Natürlich fuhren keine Ausflugsboote zur Insel, auf der sich der zu besuchende Turm befindet, und das Wetter war an dem Tag auch nicht für eine Bootstour geeignet. So machten wir unser Foto vom Ufer aus, von dem man den Turm nur erahnen konnte. Denn der anwesende Fahrtleiter der TZF hatte beschlossen, dieses Foto gelten zu lassen. Und auch das Bogenschießen war nun unter Einhaltung der Coronaregeln wieder erlaubt, so dass wir noch einer weiteren Lieblingsbeschäftigung nachgehen konnten, die wir acht Wochen sehr vermisst hatten.

Fazit

Klar, es gibt sicher schönere Urlaube. Aber man wundert sich doch, was es auch in heimatlichen Gefilden alles Interessantes und Unerwartetes zu entdecken gibt. Es muss nicht immer die spektakuläre Reise in fremde Länder sein. Auch hier zu Hause kann man kleine Abenteuer erleben.
Trotzdem hoffen wir, dass wir nicht noch einmal in den Lockdown müssen. Aber wie man sieht, kann man auch eine solche Zeit sinnvoll verbringen und sogar genießen.
Wir freuen uns, dass gerade in diesem Jahr ein Teilnehmerrekord von bis jetzt 118 Teilnehmern bei der TZF erreicht wurde. Wenn Du noch mitmachen möchtest - die Saison ist noch lang - melde Dich einfach an.

Eine Auswahl der von uns besuchten Tourenziele