Testen bis die Ergebnisse passen? - Warum der BVDM Motorrad-Demonstrationen im Hochtaunuskreis unterstützt

Von April bis Oktober 2022 wird rund um den Feldberg/Taunus wieder ein „Verkehrsversuch“ durchgeführt. Es werden bei Motorradfahrern beliebte Strecken rund um den Feldberg einseitig nur für Motorräder gesperrt. An jedem zweiten Wochenende eines jeden Monates. Dies ist bereits der zweite „Verkehrsversuch“ mit Motorrad-Fahrverboten. 2019 hatte der Landrat Ulrich Krebs (CDU) jeweils neun Tage (incl. Der Wochenenden) im Mai und September zum Teil identische Straßen nur für Motorräder gesperrt.

Es stellt sich die Frage, warum wird nun zum zweiten Mal ein Verkehrsversuch durchgeführt? Warum werden zum zweiten Mal „Steuergelder“ ausgeben? Dieser Artikel erläutert die Hintergründe im Detail:

März 2019: Landrat U. Krebs (CDU) verkündet Verkehrsversuch

Im März 2019 verkündet der Landrat Ulrich Krebs (CDU) die testweise Streckensperrung für Motorräder anlässlich einer Pressekonferenz. Das Ziel des „Verkehrsversuches“ war (Zitat): „… Erkenntnisse (zu) gewinnen, ob eine dauerhafte oder auch teilweise Sperrung bestimmter Abschnitte für Motorradfahrer im Feldberggebiet sinnvoll sein könnte“. (1) Die Datenerfassung bezog sich auf eine Verkehrszählung und punktuelle Lärmmessungen.

Die Ankündigung der versuchsweisen Fahrverbote für Motorräder begleitet der Landrat Krebs mit einem Versprechen an die Motorradverbände: (Zitat): „… die Versuchssperrung ist ergebnisoffen,…..wir werden uns mit allen Beteiligten zusammensetzen und die Erkenntnisse aus den im Mai und September gesammelten Daten anschauen und bewerten.“  (1)

 

Landrat Krebs (CDU) hat seine Zusage nicht eingehalten

Zweieinhalb Jahre später sollte sich diese Aussage des Landrates Krebs (CDU) als nicht haltbar herausstellen. Die Ergebnisse sind niemals mit den Motorradverbänden besprochen worden. Schon gar nicht „ergebnisoffen“.

Hier klicken: Die Pressemitteilung von Landrat Ulrich Krebs von 2019 im Original

Der BVDM e.V. (vertreten durch den Autor) war bei der Pressekonferenz im März 2019 persönlich anwesend, und fragte nach den Kosten für den Verkehrsversuch. Genannt wurde seitens des Landrates ein Betrag von etwa 35.000 Euro.

 

Der BVDM hat 2019 gegen Motorradfahrverbote demonstriert

In die Entscheidung zu diesem „Verkehrsversuch“ war der BVDM nicht eingebunden. Der BVDM hatte 2019 mit einer großen Motorrad-Demonstration gegen diesen Verkehrsversuch protestiert, weil alle anderen „milderen Mittel“ einer Lärmminderung nicht wissenschaftlich zuverlässig und transparent getestet werden sollten.

1. November 2021: Verkehrsdezernent Thorsten Schorr (CDU) verkündet Motorradfahrverbote für 2022

Es sollte über zwei Jahre dauern, bis der Landrat, vertreten durch den Verkehrsdezernenten Thorsten Schorr (CDU), im Rahmen einer Präsentation und Pressekonferenz am 1. November 2021 die Öffentlichkeit und die Motorradfahrer-Verbände über die Konsequenzen aus dem „Verkehrsversuch“ des Jahres 2019 informierte. Die Information gipfelte in der Aussage, dass von Motorradfahrern beliebte Strecken im Feldberggebiet an jedem zweiten Wochenende im Monat für Motorräder gesperrt werden.

Thorsten Schorr (CDU) nennt die temporären Fahrverbote eine „Lärmpause“ und einen „Kompromiss“. (2) Die Daten hatte Thorsten Schorr den Motorradfahrern nicht zur Verfügung gestellt (anders als 2019 versprochen). Vielmehr stützt Thorsten Schorr seine Aussage auf ein „Gutachten“ der „ivm GmbH“ (Integriertes Verkehrs- und Mobilitäts-Management Region Frankfurt RheinMain). Das Institut wiederum hatte die erhobenen Daten gesichtet und bewertet.

Aufsichtsratsvorsitzender der „ivm GmbH“ ist Landrat Ulrich Krebs (CDU)

Das Institut „ivm GmbH“ wiederum leitet aus den Daten des Verkehrsversuches eine Empfehlung ab, obwohl das Institut in seinem Gutachten einräumt, dass die Daten des Verkehrsversuches auf einer (Zitat) „nicht normgerechten Messung“ (3) beruhen. Der Aufsichtsratsvorsitzende der „ivm GmbH“ist Landrat Ulrich Krebs (CDU).

Obwohl die „ivm GmbH" feststellt, dass die „Lärmemissionen“ nicht normgerecht ermittelt wurden und obwohl die „ivm GmbH" selbst feststellt daß (Zitat) „… die im Rahmen des Feldversuchs ermittelten Effekte (sind) aus verkehrlicher Sicht nicht ausreichend (sind), um eine dauerhafte Sperrung der Strecken oder des gesamten Feldberggebietes für Motorräder begründen zu können.“ (4), empfiehlt das Institut eine temporäre Streckensperrung für Motorräder und nennt dies eine Lärmpause“ (Zitat): Es „… wird vorgeschlagen im Sinne einer „Lärmpause“ im Sommerhalbjahr an ausgewählten Wochenenden/Feiertagen eine temporäre Sperrung der Zufahrt im Feldberggebiet umzusetzen“. (5)

Hier klicken: Das Gutachten der "ivm GmbH" im Original

 

„Lärmpause“: Der Begriff stammt von der Feldberginitiative e.V.

Der Begriff „Lärmpause“ und die Idee „temporärer Streckensperrungen“ sind keine „Erfindung“ (und daher auch keine Empfehlung) des Institutes „ivm GmbH“ und auch kein Kompromissangebot von Thorsten Schorr (CDU). Diese Überlegungen wurden bereits 2014 von der Feldberginitiative e.V. (6) entwickelt und auf der Webseite der Feldberginitiative publiziert: „Die Feldberginitiative hatte bereits am 19. Juli 2014 ihr Lärmpausenkonzept vorgestellt, das temporäre Streckensperrungen für Krafträder unter Einbindung weiterer Ortsteile des Luftkurortes Schmitten vorsieht. Die Feldberginitiative wird auch weiterhin konsequent für die Umsetzung eines Lärmpausenkonzeptes eintreten.“ (7)

An einen Zufall bei der Verwendung des Begriffes Lärmpause im Gutachten mag man kaum glauben, insbesondere wenn man weiß, dass der Vorsitzende der Feldberginitiative, Dr. Olaf Gierke, ebenso CDU-Mitglied ist (8) wie Landrat Ulrich Krebs und der Verkehrsdezernent/Erster Kreisbeigeordneter Thorsten Schorr. Warum wurde nicht mit den Motorradfahrerverbänden gesprochen, um auch andere Wege der Problemlösung zu eruieren? 

Daten des Verkehrsversuches von 2019 „nicht gerichtsfest“.

Obwohl die Daten aus dem „Verkehrsversuch“ 2019 nicht normgerecht erhoben wurden, und obwohl diese Daten eine Streckensperrung nicht „gerichtsfest“ begründen können (Zitat ivm GmbH: „im Rahmen des Feldversuchs ermittelten Effekte sind aus verkehrlicher Sicht nicht ausreichend, um eine dauerhafte Sperrung der Strecken oder des gesamten Feldberggebietes für Motorräder begründen zu können“) (3), soll nun dennoch auf der Grundlage dieser Daten eine temporäre Streckensperrung (jeweils ein Wochenende pro Monat, von April bis Oktober) durchgeführt werden.

Die 2019 erhobenen Daten sind offensichtlich „nutzlos“. Diese nutzlose Datenermittlung hat etwa 35.000 Euro gekostet (so die mündliche Auskunft des Landrates). (9)

 

Das Fach-Institut für Lärm-Immissionen Müller-BBM GmbH bestätigt die fachlich unzulängliche Datenerhebung von 2019 durch den Hochtaunuskreis

Der BVDM e.V. hat keine Mühe gescheut, die vom TÜV-Hessen ermittelten Daten (im Auftrag des Landrates des Hochtaunuskreises) hinsichtlich ihrer Verwendbarkeit für verkehrsrechtliche Anordnungen durch den Landrat überprüfen zu lassen. Der BVDM hat die Originaldaten an eines der anerkanntesten Ingenieurbüros für Lärm-Emissionen & -Immissionen übergeben und um eine Begutachtung gebeten.

Das Urteil der Fachleute von Müller-BBM ist „vernichtend“. Die vom TÜV-Hessen erhobenen Daten sind nicht geeignet eine Streckensperrung für Motorräder rechtssicher zu begründen. Sie eignen sich auch nicht dazu, temporäre Fahrverbote für Motorräder an zu ordnen. (Der Verkehrsdezernent Thorsten Schorr nennt diese in Anlehnung an die "Feldberginitiative e.V." seines Parteifreundes Olaf Gierke „Lärmpause“). Wieso dann die ivm-GmbH in ihrem Gutachten zu einer solchen Empfehlung gekommen ist, bleibt rätselhaft. Beziehungsweise ist nur politisch, aber auf keinen Fall fachlich begründet.

 

 

Auszugsweise benennen wir die nur wichtigsten Kritikpunkte an den Ergebnissen, der Motorrad-Streckensperrungen von 2019. Das vollständige Gutachten von Müller MBB findet sich hier:

Hier klicken: Gutachten von MÜLLER-BBM GmbH zu den Daten der Streckensperrung 2019

 

Die Datenerhebung genügt nicht den wissenschaftlichen Normen:

(Zitat): "Die in der DIN 45642 [2], Kapitel 8 genannten Anforderungen wurden dagegen nicht erfüllt. In der Untersuchung fehlen detailliertere Angaben zu den Messpunkten, wie z. B. - genauer Abstand je Messpunkt zur Fahrbahn, - Art und Zustand der Fahrbahnoberfläche, - zulässige Höchstgeschwindigkeit und - Längsneigung der Fahrbahn. Diese Parameter sind im Rahmen von Verkehrsgeräuschmessungen regelmäßig zu erheben, wenn die Ergebnisse auf andere Betriebszustände übertragen werden sollen, bzw. eine nachvollziehbare Beurteilung der Messergebnisse erfolgen soll". (11) Seite 3.

"Die durchgeführte Umrechnung der Immissionspegel auf die Referenzzustände entspricht somit nicht den Vorgaben der DIN 45642. Hierzu wäre bereits in den Messungen eine Erfassung der mittleren Geschwindigkeiten erforderlich gewesen, zudem wäre in der Umrechnung auch der Lkw-Anteil zu berücksichtigen".(11) Seite 5

Die Repräsentativität der Datenerhebung wird angezweifelt

(Zitat): "Es kann keine Aussage dazu getroffen werden, inwiefern diese Daten repräsentativ sind. Es fällt jedoch auf, dass der Zeitraum mit Streckensperrung vom 07.- 15.09.2019 (Freitag bis Sonntag) zwei Wochenenden und fünf Wochentage beinhaltet und der Zeitraum 16.- 30.09.2019 (Montag bis Montag) zwei Wochenenden und elf Wochentage umfasst. Der Lkw-Anteil wird in der Zählung nicht getrennt ausgewiesen. Da dieser jedoch den Immissionspegel maßgeblich mitbestimmt, wäre gemäß der DIN 45642 immer auch die Betrachtung des Lkw-Anteils erforderlich". (11) Seite 4

Die Orte der Messung sind falsch gewählt

(Zitat): "Die ausgewählten Messorte entsprechen außerdem keinen schutzbedürftigen Immissionsorten der einschlägigen Regelwerke zur Beurteilung von Verkehrsgeräuschen". (11) Seite 6

Die Daten lassen keine Schlussfolgerung zu, dass Lärm-Grenzwerte überschritten werden

(Zitat): "Aus den vorgelegten Differenzpegeln kann nicht abgeleitet werden, ob die schalltechnischen Anforderungen einschlägiger technischer Regelwerke an den maßgeblichen Immissionsorten entlang der Straßen im Feldberg-Gebiet überschritten werden. Hierzu wären umfangreiche Berechnungen unter Berücksichtigung der maßgeblichen Verkehrsstärken und zulässigen Höchstgeschwindigkeiten durchzuführen" (11) Seite 6.

 

Landrat Hochtaunuskreis: Ankündigung eines erneuten „Verkehrsversuches“ und temporäre Streckensperrungen für Motorräder 2022

Der BVDM e.V. hatte noch am 1. November 2021, während der Pressekonferenz von Thorsten Schorr (CDU), angekündigt, gegen eine geplante und verkündigte Verordnung zu klagen. (10).

Aufgrund der Klageandrohung des BVDM ist es nicht zu der Verordnung einer dauerhaften temporären Streckensperrung gekommen.

Stattdessen hat der Verkehrsdezernent am 09. März 2022 einen erneuten „Verkehrsversuch“ verbunden mit Motorradfahrverboten, angekündigt. Die aktuellen temporären Motorradfahrverbote werden als erneuter "Verkehrsversuch" deklariert.

Intensive juristische Beratungen sagen dem BVDM e.V., dass man gegen einen Verkehrsversuch kaum klagen kann. Der BVDM e.V. sieht deshalb von einer Klage vor dem Verwaltungsgericht im Jahr 2022 ab.

Der BVDM wird abwarten, welche Schlussfolgerungen aus dem Verkehrsversuch 2022 gezogen werden und behält sich eine juristische Prüfung, ebenso wie eine juristische Klage, vor.

 

Quellennachweis:

(1) Ulrich Krebs, Pressemitteilung vom 26.03.2019, S.2

(2) Frankfurter Neue Presse online, Erstellt: 02.11.2021, 10:53 Uhr, abgerufen 04.05.2022, 17:45 Uhr, https://www.fnp.de/lokales/hochtaunus/zustimmung-fuer-laermpausen-91089066.html

(3) Dipl.-Ing. Heike Mühlhans, ivm GmbH:Zusammenfassende Auswertung zum Verkehrsversuch „Motorradsperrung am Feldberg im Jahr 2019“, Frankfurt am Main, 22.09.2021, Seite 5

(4), (5) Dipl.-Ing. Heike Mühlhans, ivm GmbH, -dito-, Seite 6

(6) Die Feldberginitiative e.V. sagt über sich selbst: „wir sind ein gemeinnütziger Verein, der sich für den Umwelt- und Naturschutz in der Feldbergregion einsetzt.“ „Wir wollen, dass die Straßen rund um den Großen Feldberg im Taunus sicherer und leiserer werden. Das hohe Verkehrsaufkommen und der Missbrauch der Feldbergstraßen als Raserstrecke für Auto- und Motorradfahrer führen dazu, dass Natur und Umwelt stark beeinträchtigt werden und zur Gesundheitsgefährdung führt“. Quelle: https://www.feldberginitiative.de/index.php/wer-wir-sind

(abgerufen: 28.04.2022, 15:00 Uhr)

(7) Quelle: https://feldberginitiative.de/index.php/8-aktuelles/81-verkehrsversuch-streckensperrung-als-wichtiger-zwischenschritt

Abgerufen 28.04.2022, 15:10 Uhr

(8) Quelle: Facebook-Seite CDU Schmitten: https://m.facebook.com/cduschmitten/photos/a.169670729747668/3721769141204458/?type=3

Abgerufen 28.04.2022, 16:00 Uhr

(9) Die Kosten in Höhe von 35.000 € nannte der Landrat Ulrich Krebs (CDU) während der Pressekonferenz im März 2019. Der Autor (r. Mohr) war anwesend und hatte die Frage nach den Kosten gestellt.

(10) B. Biener in FAZ-Online, 01.11.2021: „SPERRUNG AM GROSSEN FELDBERG -Tabu für Motorradfahrer“. https://www.faz.net/aktuell/rhein-main/region-und-hessen/der-grosse-feldberg-soll-im-sommer-fuer-motorraeder-gesperrt-werden-17613590.html?premium

Abgerufen am 04.05.2021, 18:33 Uhr.

(11) Dipl.-Ing.(FH) Evi Bauermann, Müller-BBM GmbH, 18.03.2022:: Motorradsperrung am Feldberg im Jahr 2019 Plausibilitätsprüfung der schalltechnischen Untersuchung T1872 des TÜV Hessen vom 02. April 2020