BVDM in Vorbereitung KaffeeStattKnöllchen

Ein Rückblick auf die Aktion „Kaffee statt Knöllchen" in Niedersachsen

Es ist jetzt die typische Zeit für Rückblicke, wir erinnern uns beim Blick auf den Novemberregen, der wirklich kaum zum Motorradfahren einlädt, an die Ereignisse, die in diesem Jahr etwas aus dem Alltagseinerlei hervorstachen. Und bevor ich es vergesse noch ein Hinweis zu meinem Artikel: der besseren Lesbarkeit wegen verzichte ich auf das Gendern, bei Motorradfahrern sind selbstverständlich immer auch die Motorradfahrerinnen mitgemeint.

Der ADAC lieferte den Anstoß

Meine Erinnerung streift zurück in den Monat Februar. Der ADAC plante mit einer bundesweiten Schilderaktion, Biker an beliebten Motorradstrecken, wo sich oft auch schon Bürgerinitiativen gegen „Motorradlärm“ gebildet hatten, um Ruhe zu bitten. Zumindest in der Region Niedersachsen/Sachsen-Anhalt kam der ADAC mit der Bitte um Mitarbeit auf den BVDM zu. Zwar waren zu der Zeit unsere Planungen zu einem wesentlich umfassenderen Konzept "Es geht auch leiser" mit eigenem Sensibilisierungskonzept schon recht weit fortgeschritten. Dennoch wurde man sich in unserem Verband bald einig, die Aktion erstmal wohlwollend zu begleiten. Grundsätzlich nutzt es allen Motorradfahrern ebenso wie den Anwohnern, wenn etwas unternommen wird mit dem Ziel, Eskalation zu verhindern. Es gilt, das Recht der Motorradfahrer auf die Ausübung ihres Hobbys ebenso zu respektieren wie das Recht der Anwohner auf Schutz vor übermäßigem Lärm.

So wurde das Ganze nach einem virtuellen Kick-Off im März dann konkreter, wir konnten bei der Schilderauswahl zumindest erreichen, dass keine Schilder, die sehr einseitig Motorradfahrer diskriminieren, aufgestellt wurden, sondern eher solche, die die Reduktion von Verkehrslärm generell fordern. Von ursprünglich zwei angedachten Orten, einer in Niedersachsen und einer in Sachsen-Anhalt, entfiel der eine bald, weil an der fraglichen Stelle das ganze Jahr hindurch Bauarbeiten geplant waren und es insofern abzuwarten bleibt, wie sich die baulichen Veränderungen auswirken werden – bis dahin wird es wohl eher Bau- als Verkehrslärm im Allgemeinen und „Motorradlärm“ im Speziellen geben.

Standort für Werbeschilder „Fahre Rücksichtsvoll“ gemeinsam mit Behörden identifiziert

Im März gab es dann in Kelbra ein Treffen. Eingeladen waren neben den Vertretern des ADAC, der Landesstraßenbaubehörde Sachsen-Anhalt, des entsprechenden Landesministeriums für Verkehr sowie weiterer zuständiger lokaler Behörden und der Polizei auch Mitglieder einer Bürgerinitiative, für den BVDM nahmen Astrid Bolle und der Autor dieses Artikels, Udo Schmidt, teil. Die Atmosphäre war insgesamt recht entspannt, sinnvolle Standorte für zwei Schilder waren dann auch recht schnell gefunden. Fehlten bis dahin die Vertreter der Bürgerinitiative, so kamen Astrid und ich am Ende doch noch mit einem lärmgeplagten Anwohner ins Gespräch. Grundsätzlich verstehen wir, dass man sich an manchen schönen Wochenenden von der Geräuschkulisse belästigt fühlen kann. Der Mann sagte uns, dass es seiner Einschätzung nach nur einige wenige seien, die für die hohe Lärmentwicklung hauptverantwortlich seien, die meisten Motorradfahrer, stimmte er uns zu, hielten sich an die Regeln. 

Idee für Aktion „Kaffee statt Knöllchen“ wurde geboren

Das, so betonten wir, sei einer der Gründe, warum wir uns vehement gegen Streckensperrungen für Motorradfahrer einsetzen. Nicht zu verschweigen ist zudem, dass es auch laute Pkw am Kyffhäuser gibt, aber mit dem Finger nur auf andere zu zeigen, löst das Problem nicht. Im Rahmen dieses Termins kam auch einer der teilnehmenden Polizisten mit uns ins Gespräch. Er war interessiert an weiteren zielführenden Maßnahmen zur Entschärfung der Situation, wir boten an, im Laufe des Jahres „Kaffee statt Knöllchen“-Aktionen in Kelbra durchzuführen.

Das Konzept wurde erläutert, trotz Personalwechsels auf der einen und terminlicher Schwierigkeiten auf der anderen Seite, konnten tatsächlich zwei dieser Events erfolgreich durchgeführt werden.

Aktion an der B 85 von Kelbra/ Niedersachsen nach Thüringen

Die Ausgangssituation: Aus Kelbra heraus führt die B85 in südlicher Richtung über die sprichwörtlichen 36 Kurven rauf und weitere 36 Kurven runter hinüber nach Thüringen, manche drehen auch nochmal um … Außerdem ist der Imbiss nahe dem Ortsausgang ein überregional bekannter Biker-Treffpunkt. Nicht alle Biker sind vernünftig, manche lassen sich zu riskanten Fahrmanövern verleiten, einige bezahlten das in der Vergangenheit mit ihrem Leben. Häufen sich aber auf einer Strecke Unfälle mit Motorrädern übermäßig, kann das ein Grund für die Sperrung der Strecke sein, dagegen ist dann irgendwann auch der BVDM machtlos. Die Anwohner fühlen sich zum Teil eher durch die Geräuschkulisse belästigt, andere, die ebenfalls dicht am Ortsrand leben, empfinden das aber explizit nicht als störend – so unterschiedlich werden Straßenverkehrsgeräusche bewertet.

Bisherige Maßnahmen: Fast auf der gesamten Strecke gilt mittlerweile Tempo 50 und vor einigen Kurven wurden weiße Rüttelstreifen aufgebracht, des öfteren finden Kontrollen der beiden zuständigen Polizeidienststellen (Ländergrenze Sachsen-Anhalt/Thüringen) statt, es werden Geschwindigkeitsmessungen durchgeführt, ebenso ist die Polizei mit offiziellen wie zivilen Fahrzeugen im Einsatz.

Sensibilisierung der Motorradfahrer für Rücksichtnahme

Ziel der Aktionen „Kaffee statt Knöllchen“: Besonders die Sensibilisierung der Zielgruppe liegt uns am Herzen: Viele Biker sagen, wenn man ihnen erklärt, dass es Menschen gibt, die hier ihren Garten haben, dass sie verstehen können, dass die Anwohner manchmal doch ganz schön genervt sind. Andererseits sprechen wir auch immer wieder mit Anwohnern und zeigen auf, dass beileibe nicht alle Motorradfahrer „hirnlose Raser“ sind und es zeigt sich auch, dass viele - manche davon womöglich, weil sie die Botschaften der Schilder vernommen haben - betont leise und entspannt durch den Ort gleiten. Wir weisen auch darauf hin, dass das Damoklesschwert der Sperrung auch hier droht, wenn weiter viele Motorradfahrer selbstverschuldet verunfallen. Vielen erklären wir, dass, wer mal relativ sicher richtig schnell fahren möchte, heute genügend Angebote von Rennstreckentrainings für unterschiedlichste Anforderungen finden kann, die alle weniger kosten als die Restaurierung des Bikes nach einem Sturz auf der B 85. So und so ähnlich verlaufen viele Gespräche mit unzähligen Bikern, die meisten sind einsichtig, und der Kaffee schmeckt auch, nachdem der Schock verdaut ist, dass die Polizisten heute mal nicht primär zum „Knöllchenverteilen“ hier sind.

 

Ziel erreicht? Einer der Polizisten stellte richtig fest, dass sich Prävention schwer messen lässt. Wir hoffen aber, dass wir mit unseren Aktionen dazu beitragen können, dass weniger Unfälle passieren und auch die lärmempfindlicheren Anwohner ihre Wochenenden zukünftig etwas ruhiger genießen können. Wenn das so ist, sind wir Biker auch weiterhin gerne gesehene Gäste, auch am Kyffhäuser, und viele der 36 Kurven machen auch mit maximal 50 km/h Spaß.

Devise: Du hast es in der (rechten) Hand.