Wahlprüfsteine für den Hochtaunuskreis 2023

Brennpunkt Hochtaunuskreis

Am 8. Oktober wird in Hessen ein neuer Landtag gewählt. Der Wähler hat bekanntlich zwei Stimmen: Mit der Erst-Stimme wählt er einen Politiker aus seinem Wahlkreis, mit der Zweit-Stimme eine Partei. Der Hochtaunuskreis (Rhein-Main-Gebiet) in Hessen liegt inmitten der dicht besiedelten Rhein-Main-Region. Er ist eine Naturschönheit mit Bergen, Wäldern, einem Zoo, Wandergebieten, einer guten Gastronomie und malerischen kurvenreichen Straßen. Entsprechend ist er das Naherholungsgebiet für Wanderer, Radfahrer, Familien mit Kindern und eben auch für eine Vielzahl von Motorradreisenden. Letzteres nicht ganz ohne Probleme: Eine kleine Minderheit von Motorradfahrern missachtet die Straßenverkehrsordnung und sorgt durch Lärm und riskante Fahrmanöver für Missstimmung.

Seit 2019 versuchen der zuständige Landrat Ulrich Krebs (CDU) und sein Verkehrs-Dezernent Thorsten Schorr (CDU), das Problem durch Streckensperrungen für Motorräder zu lösen.

Landrat Ulrich Krebs (CDU) und Verkehrsdezernent Thorsten Schorr (CDU) verordneten wiederholt Fahrverbote für Motorräder im Hochtaunuskreis.

Mildere, ebenso wirksame Maßnahmen, werden nicht nachhaltig umgesetzt und evaluiert, Gespräch- und Lösungsangebote des BVDM werden ignoriert. Der BVDM nimmt diese Situation zum Anlass, Wahlprüfsteine an die jeweiligen Wahlkreis-Spitzenkandidaten der Parteien im Hochtaunuskreis zu senden. Der Hochtaunuskreis setzt sich aus den zwei Wahlkreisen 23 und 24 zusammen. Die Wahlkreiskandidaten sind die meinungsbildenden Führungskräfte in der Partei und später im Landtag. Folglich ist es sinnvoll, vor der Wahl die Absichten und Haltungen dieser Politiker verbindlich zu ermitteln.

Dies betrifft aktuell folgende Themen:

  • Streckensperrungen nur für Motorräder
  • Tempolimits nur für Motorräder
  • Fahrverbote für Motorräder die bestimmte Lautstärkepegel überschreiten (Standgeräusch größer 95 dB)
  • Die Benachteiligung von Motorrädern bei der Förderung von Antrieben mit Elektromotor.

Alle Politiker erhalten die gleichen Fragen, zur gleichen Zeit. Der BVDM richtet die Fragen zu den aktuellen Themen persönlich an die Spitzenkandidaten und bewusst nicht an die jeweilige Partei.

Hier findet sich das Anschreiben an die Politik:

Hier klicken: Fragen an die Spitzenkandidaten im Original

Viele Spitzenkandidaten lehnen es ab, gesetzeskonforme Motorradfahrer in Sippenhaft für die Verkehrsverstöße weniger zu nehmen

Die Spitzenkandidaten der FDP (Dr. Stefan Naas und Philipp Herbold) lehnen es durchgängig ab, alle Motorradfahrer in Sippenhaft zu nehmen, für die Gesetzesüberschreitungen weniger. Diese Haltung ist identisch mit der Haltung von Sven Mathes und Patricia Peveling (Die Grünen). Peveling macht in Bezug auf das „Tiroler Modell“ (1) keine Aussagen, weil Sie es nicht kennt. Aus nachträglich geführten Gesprächen weiß der Autor, dass die Juristin Peveling Fahrverbote für zulassungskonforme Fahrzeuge (also auch das Tiroler Model) ablehnt. Die Haltung, gesetzeskonforme Motorradfahrer nicht zu diskriminieren, wird ebenfalls durchgängig von Christin Jost (Freie Wähler) und Peter Lutz (AfD) geteilt. Andreas Bernhardt (Freie Wähler) folgt dieser Haltung nicht durchgängig, für ihn sind Streckensperrungen und Tempolimits nur für Motorräder denkbare politische „Problemlöser“. (2)

Der AfD-Kandidat im Wahlkreis 23, Dr. Clemens Hauk, hat – trotz Erinnerung – die Fragen nicht beantwortet.

 

Politiker der Linken sehen in Verboten und Tempolimits geeignete Mittel

Für die Kandidaten der Linken, Weigiang Lam und Paul Laslop sind generelle Fahrverbote, einseitige Tempolimits für alle Motorradfahrer und das Tiroler Model geeignete politische Maßnahmen, um Verkehrslärm und riskante Fahrweisen einzudämmen. Vergleicht man diese Haltung mit denen der anderen Politiker, stellt man fest, dass die Politiker der Linken mit dieser Haltung im Hochtaunuskreis alleine da stehen.

Politiker von CDU und SPD schließen Fahrverbote für Motorradfahrer nicht aus

Im Wahlkreis 24 ist für Sebastian Sommer (CDU) eine Streckensperrung eine denkbare verkehrspolitische Maßnahme. Holger Bellino (CDU) und Elke Barth (SPD) weichen aktuell einer Antwort aus. Elke Barth verweist auf die Daten-Erhebung einer testweisen Streckensperrung im Jahr 2022, deren Ergebnisse – nach nunmehr elf Monaten – noch immer nicht veröffentlicht sind (3). Holger Bellino (CDU) meint, dass Streckensperrungen keine (!) politische Entscheidung sei (Zitat): „Diese Frage kann ich nicht mit „Ja“ oder „Nein“ beantworten, da es sich bei Streckensperrungen um keine politische Entscheidung handelt, sondern um eine verkehrsbehördliche Anordnung“ (Zitat Ende). Dies Antwort verwundert. Selbstverständlich ist es eine behördliche Anordnung, die aber – das zeigen gerade die Antworten der Wettbewerber – vor einem politischen Hintergrund gefällt wird. Zumal die hessische Kommunalverfassung und auch die Straßenverkehrsordnung keiner Behörde eine Streckensperrung als Mittel der Wahl vorschreiben. Die Behörde kann sehr wohl andere geeignete Maßnahmen ergreifen. Holger Bellino (CDU) grenzt allerdings ein, wenn er sagt (Zitat): „Sollte es zu Teil- oder temporären Sperrungen kommen, müssen diese begründbar sein und kommen aus meiner Sicht nur als letztes Mittel in Betracht.“

Sebastian Imhof (SPD) lehnt Streckensperrungen ab, befürwortet aber Tempolimits nur für Motorräder.

Die Förderung von Elektromobilität ist umstritten

Inzwischen gibt es attraktive Motorräder (inklusive Motorroller), deren Fahrverhalten sehr ausgereift ist, die im Betrieb Fahrspaß vermitteln.

Attraktive Elektromotorräder: Die ZERO RS und die Harley Davidson.

Gerade in Ballungsräumen (zu denen der Hochtaunuskreis zählt) ist die mit E-Motorrädern realisierbare Reichweite ausreichend, für die Fahrt „zur Arbeit“ oder die kurze Spritztour zum Hobby und „ins Grüne“. Lärmbelästigung und lokaler CO2-Ausstoß werden so drastisch reduziert. (4) Allerdings, sind die Elektromotorräder derzeit sehr teuer und nur für wenige Bürger erschwinglich. Dennoch sind sowohl die Politiker der FDP, Die Linke und der AfD aus grundsätzlichen Erwägungen nicht bereit finanziell zu fördern. Im Wahlkreis 23 schließt sich Sven Mathes (Grüne) dieser Haltung an. 

Die Wahlkreiskandidaten der CDU, SPD, Freien Wähler und bei den Grünen Patricia Peveling wollen eine Förderung von Elektromotorrädern unterstützen.           

Liebe Leser, liebe Leserin:  Das Meinungsbild der Spitzenpolitiker im Hochtaunuskreis ist komplex. Lest die Argumente der Spitzenpolitiker, nutzt den Wahlkampf für Gespräche. Der Fragebogen des BVDM und vielleicht diese Analyse, mögen als Unterstützung für die Gespräche dienen.

 

Alle Antworten im Original aus dem Wahlkreis 23 finden sich hier:

 

Alle Antworten im Original aus dem Wahlkreis 24 finden sich hier:

 

Anmerkungen:

(1) Motorrad-Fahrverbot bei Standgeräusch über 95 dB: Seit dem 10. Juni 2020 gilt in Tirol auf einigen Strecken ein Fahrverbot nur für Motorräder mit einem Standgeräusch über 95 dB. Zahlreiche Motorräder, die korrekt die gültigen Zulassungsbestimmungen erfüllen, werden so vom Straßenverkehr ausgeschlossen.

(2) Die Differenzen in der Haltung zwischen den beiden Wahlkreiskandidaten der Freien Wähler sind ein weiteres Beispiel dafür, dass es wichtig ist, mit der Person und nicht mit der Partei zu sprechen.

(3) Der Verkehrsdezernent im Hochtaunuskreis, Thorsten Schorr (CDU) verweigert dem BVDM bislang trotz mehrfacher Nachfrage eine Antwort, wann die Ergebnisse der Streckensperrung von 2022 vorgelegt werden. Die letzte Datenerhebung hatte im Oktober 2022 stattgefunden.

(4) Einen Test des Elektro-Motorrades  ZERO RS gibt es hier: ZERO SR/S – Die elektrische Freude am Fahren (bvdm.de)